Wovon ich noch erzählen wollte ...

19.08.2018 - Meine Kristall-Haube

Also, ganz ehrlich? Die Haube ist nicht aus Kristall. Auch nicht annähernd, aber sie ist mir so wertvoll, als wäre sie es. Doch ich greife vor.

   

Gehen wir zurück auf den 28.11.2008. Am Abend dieses Tages erhielt ich eine Email von meiner Freundin Jutta. Sie schickte mir ein Foto mit den Worten: schau mal, was ich mir heute auf dem Flohmarkt gekauft habe. Damit ich die Größe auch ja richtig erkenne, stellte sie ein 8 cm Edi-Puppen Paar daneben. Edi-Puppen waren für uns immer das Maß aller Dinge. Wir wohnten weit auseinander und sahen uns nicht so oft, wie wir es uns wünschten. Damit wir uns gegenseitig immer schnell und zuverlässig ein Bild von den Schätzen des anderen machen konnten, stand auf den Fotos stets eine Edi-Puppe dabei. 

Die beiden Puppen in der Stube, sind 4 cm Edi-Puppen. Jutta hatte sich eine minikleine Dora Kuhn Stube gekauft - aber was für eine!

   

   

Bei mir war es Liebe auf dem ersten Blick. Ich wusste sofort, genau so eine Stube musste ich unbedingt haben. Wir schauten also beide immer wieder nach so einer Stube und gleichzeitig recherchierten wir danach. In einem Katalog aus den 40er Jahren entdeckte Jutta sie schließlich - auf dem ersten Blick. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass es eine Stube im Maßstab 1:10 war und, dass es sich „nur“ um eine zweischenkelige Stube handelte.

   

   

Doch zeigte diese Abbildung immerhin, dass in solchen Stuben eine Wiege und eine Kommode gestanden haben könnten. Weil Jutta so gern beides haben wollte, bastelte ich ihr aus Pappe die vermeintlich fehlenden Stücke. Allerdings nach den Vorbildern der größeren Maßstäbe. Doch damals wussten wir noch nichts von den Unterschieden und sie freute sich sehr darüber.

   

   

Und dann kam der 3. Okt. 2012 - Tag der Deutschen Einheit - der große Trödelmarkt in Bamberg. Wie jedes Jahr hatten wir unseren Urlaub so gelegt, dass wir zu diesem Markt in Bamberg waren. Ich stand früh auf und war bereits um 7.00 Uhr dort. Gerhard - mein Mann und verständnisvoller Freund - wollte später dazu kommen. Das Wetter war ideal und der Markt war noch größer als in den früheren Jahren. Gegen 11 Uhr war ich schon ziemlich müde und plötzlich sah ich sie

Ohne Möbel und ohne Keller, aber eine Mini-Winkel-Stube.
Selbstverständlich kaufte ich sie. 

Ja, und dann rief ich nur noch Gerhard an, dass er mich abholte - ich konnte nicht mehr, nein, ich wollte nicht mehr. Ich hatte meinen Traum erfüllt - was sollte ich da noch auf diesem Markt. Alles andere verblasste dagegen.

   

   

Als ich mit der Einrichtung meiner Stube fertig war, verglichen wir die Stuben. Sie haben ein geringfügig anderes Maß.

Gerade zu diesem Zeitpunkt erhielt Jutta die Nachricht, dass sie nicht mehr lange leben würde. Wir weinten gemeinsam und schließlich versuchte sie mich mit den Worten zu trösten: Du bekommst doch dann meine Stube und stell dir vor, wie toll es aussieht, wenn du sie nebeneinander stehen hast. 

Das war wirklich nur ein schwacher Trost.

   

Ja, und dann eines Tages standen die beiden Stuben schließlich Rücken an Rücken bei uns auf dem Tisch. Wir haben im Arbeitszimmer einen runden Tisch. Dort bekamen sie ihren Platz. Ich kaufte einen hölzernen Drehteller - Durchmesser 40 cm.

Ich gebe es zu, es war ein Käseteller. Aber er passte haarscharf genau. Ich konnte nun immer die Seite zu mir drehen, die ich mir gern ansehen wollte. Es gibt vier Einstellungen. Die beiden Stuben und jeweils dazwischen die Landschaften oder Gärten.

   

   

Allerdings hatte der Standplatz auch einen Nachteil. Immer wenn wir das Zimmer lüfteten, fielen die kleinen Stühlchen, die Puppen oder Sonstiges um. Wir haben die kleinen Stuben sonst alle immer unter einer wunderschönen und sehr teuren Haube aus Acrylglas. Das sieht sehr edel aus, spiegelt so gut wie nicht und schützt vor Wind, Staubsauger und unerlaubtem Zugriff.

Natürlich wollte Gerhard sofort eine Haube für diese beiden Kostbarkeiten bestellen - doch leider, in rund gibt es sie nicht. Wir durchforschten das Internet und bekamen immer wieder die Antwort, das wird zu schwer und zu teuer. Ja, 500 Euro hätten wir zahlen sollen.

   

Nach einiger Zeit fehlte eine klitzekleine Vase aus dem Erzgebirge, ich denke, der Staubsauger hat sie gefressen. Da musste also etwas geschehen. 

Ich bestellte im Internet eine Holzscheibe, ganz dünn, mit dem Durchmesser 42 cm. Das ging problemlos. Ich musste nur eine nächstgrößere Scheibe kaufen und die wurde für mich auf 42 cm zurück „gelasert“. Diese Scheibe nahm ich als Muster und schnitt aus einer klaren Laternenfolie einen Deckel. Das war der erste, der kleinste, der einfachste Schritt.

   

   

Aus dünnen Vierkanthölzern baute ich mir ein Stützkreuz. Das bedeutet, ich habe in der Mitte eine Nut gefeilt. Genau so lange, bis die Kreuzung plan war. Danach habe ich Rundhölzer als Stützpfeiler daran gesetzt. Und ja, ich hatte die Geduld, die der Leim zum Trocknen brauchte. Beim ersten Probeliegen kamen die minimalen Größenunterschiede gravierend zutage und ich musste Ausgleichstücke ansetzen.

   

So weit, so gut. Ich hatte einen Boden und ich hatte einen Deckel. Jetzt fehlte „nur“ noch das schwierige Zwischenteil. Hat man den Durchmesser, so kam man per Formel ausrechnen, wie groß der Umfang ist. Im Fall meiner Glocke waren es 132 cm. Daher war mir klar, dass meine Laternenfolie nicht reichen würde. Die Bogen sind DIN A1 (594 mm x 841 mm), also ich musste anstücken. Es waren zwei Nähte notwendig. 

Aber wie sollte ich die stabil zusammenfügen. Kleben hielt ich für undurchführbar. Es wäre ein zu starker Druck auf der Klebe- stelle. Ich wollte schon nähen, da machte Gerhard mich darauf aufmerksam, dass die Einstichstellen so scharfkantig sein würden, dass das Garn schnell zerschnitten sein würde. Ach, was für ein Spielverderber.

   

   

Ich verpackte gerade eine kleine Puppe, die ich einer Freundin schicken wollte. In Deutschland gibt es die praktischen und kostengünstigen Warensendungen. Die werden mit einer Klammer zusammengehalten, fest und doch leicht wieder zu öffnen. Das war die Lösung, schnell und effektiv. Na ja, vielleicht optisch nicht sooo schön, aber auch nicht so unansehnlich und, da ich sie auf der Höhe der Stützpfeiler anbrachte, stören sie nicht.

   

   

Ich hatte beim Zuschneiden der beiden Seitenteile an der Höhe 4 cm zugegeben. Vor dem Schließen des Kreises habe ich oben und unten jeweils 2 cm umgeknickt und alle 1,5 cm eingeschnitten. Auf diese Art und Weise versprach ich mir, dass sich eine schöne Rundung ergibt und keine Ecken. Es hat tatsächlich geklappt. 

Die unteren „Laschen“ legte ich unter den zusätzlichen Holzboden und nagelte ihn mit Heftzwecken fest. Vorsorglich schraubte ich die Bodenplatte auf der Drehplatte fest.

   

   

Dann kam der große Moment:
Ich legte noch eine Scheibe aus grünem Tonkarton hinein und stellte die beiden Stuben oben drauf. Der Karton gab die passende Gartenfarbe.

Die Stuben passten genau und auch mein Stützkreuz ging gerade eben mit Luftanhalten hinein.

   

   

Die nächsten beiden Stunden wären für jeden Sammler ein Höhepunkt im Sammleralltag. Mein Mann verzichtete großmütig auf ein Mittagessen und schmierte sich ein Brötchen. Aber ich, ich konnte die beiden kleinen Stübchen einrichten und mit dem allerkleinsten Zubehör versehen, was ich in meinen Kisten finden konnte. Nichts würde nun mehr verloren gehen. Trotzdem fixierte ich einige Sächelchen mit mini dots - Sie wissen schon, diese kleinen glasklaren Klebepunkte.

Als alles fertig war, legte ich den Deckel drauf. Ja, mehr nicht. Er liegt durch sein eigenes Gewicht gut. Zwar ist die Haube nicht ganz dicht, aber überwiegend gegen Staub geschützt. Und gegen Wind und Fremdzugriff sowieso.

Natürlich wäre eine Haube aus Acrylglas um ein vielfaches schöner, und doch, diese Selbstbau-Haube tut es auch. Alles in allem habe ich keine 30 Euro bezahlt, hatte sehr viel Freude beim Basteln und, sie ist wirklich beinahe aus Kristall - jedenfalls in meiner Vorstellung. 
Wenn ich davor sitze und diese reizenden Stübchen betrachte, stelle ich mir immer vor, wie Jutta und ich gemeinsam damit gespielt hätten. Eines weiß ich, wenn sie von oben aus ihrer Wolke herausschaut, dann streckt sie den Daumen nach oben und ist stolz auf diese beiden absoluten Besonderheiten - unter ihrer Kristall-Haube.

Ja, ich bin sicher, Jutta würde meine Kristall-Haube supergut gefallen.

   

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