Die besondere Puppe

Hier können auch Sie Ihren Schatz vorstellen

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Ein Kind der Liebe von Stefanie Ludwig

Die mittelblauen Glasaugen mit schwarzer Pupille sind etwas in den Kopf hineingefallen die Nasenspitze beschädigt. Am Augenrand gemalt sind die Wimpern oben und unten, der rote Nasenpunkt und die roten Nasenlöcher. Etwas defekt ist die Bemalung der Brauen, ebenso die der Lippen. 

Der Mund ist leicht geöffnet, Zähne sind nicht zu erkennen.
Nach Thüringen geliefert wurden die Celluloidköpfe sowohl als Glattköpfe zum Befestigen einer Perücke als auch mit anmodellierter Frisur. 

Aus konservatorischen Gründen war es nicht möglich, die dunkelbraune Perücke zu lösen, um nach einer möglichen Frisur zu forschen. Der Zustand der dichten Haare zeugt von nicht sehr feinfühligem Friseur-Spiel.

Ebenfalls aus konservatorischer Rücksicht wurde die Puppe bei der Recherche nicht komplett entkleidet, sondern nur die Verschlüsse der reichhaltigen Bekleidung geöffnet und ein wenig beiseitegeschoben. 

So war zu erkennen, dass der Rumpf ein Ziegenlederkörper ist. Auf der Abbildung links können Sie die Löcher erkennen, durch die der Faden zur Befestigung von Kopf auf Rumpf geführt wurde.

Ober- und Unterarme sind teils aus Holz gedrechselt, teils aus Masse geformt. Ähnliches dürfte für die Beine gelten. 

Mir scheint, dass die Arme vertauscht wurden, also dass der rechte auf der linken Seite sitzt. 

Da durch die hölzernen Kugelgelenke die Arme auf Höhe von Ellenbogen und Handgelenk drehbar sind und da mehrere Fingergelenke fehlen, ist das aber nicht eindeutig festzu- stellen.

Bekleidung

Das Hemdhöschen - Leinen mit Stickereibesatz - ist an der Schulter und im Schritt zu knöpfen und somit leicht an- und auszuziehen. Die lange, unter dem Kleiderrock hervorlugende Unterhose mit Spitzenbesatz ist hinten und vorne offen und wird vorne gebunden. 

Die dicken braunen Strümpfe reichen von der Taille bis zu den Fußspitzen und halten so Lederkörper und Beine zusammen.

Die schwarzen Schuhe sind auf der hellen Sohle mit Größe „7“ und mit Inventarnummer beschriftet. Das Unterkleid aus zartem weißen Tupfenvoile ist mit einer Häkelborte verziert. Liebevoll wurde das Kleid aus zweierlei Stoff genäht, mög- licherweise aus einem kunstseidenen Unterrock und einer Gardine. Offenkundig wurde viel Mühe auf die Verfertigung des Kleides verwendet, trotzdem sieht es scheußlich aus. Den Abschluss der Bekleidung bildet eine unterm Kinn gebundene Haube. Die in den kräftigen weißen Stoff eingewebten blauen Streublumen und vor allem die Borte erwecken aus der Distanz die Erinnerung an das klassische Porzellandekor „Zwiebelmuster“.

Stückwerk

Warum passt eins nicht so recht zum anderen? Warum sind die Beine so haltlos und lang? Die Puppe ist Stückwerk und noch dazu ein beschädigtes Stückwerk. 

Die Schenkende schrieb in ihrem Begleitbrief: 

„Leider ist die Puppe reparaturbedürftig. Vielleicht ist sie Ihnen trotzdem von Nutzen. Ich würde mich darüber freuen, denn es wäre auch im Sinne meiner Tante, dass die Puppe bei Ihnen gut aufgehoben ist.“

Gesichert ist nur, dass die Vorbesitzerin, jene „Tante“, am 24.3.1900 geboren wurde und dass sie die Puppe - in wel- chem Zustand auch immer - so sehr geliebt und geschätzt hat, dass sie sie bis zu ihrem Tod aufbewahrte. 

Von dieser Wertschätzung wusste ihre Nichte und übergab das alte Spielzeug dem Museum; es reiste von Radebeul ins nahe Dresden.

Für alles Weitere müssen wir Mutmaßungen anstellen.

Wann wurde Clara die Puppe geschenkt und wie sah diese damals aus? Mädchen spielten zu Anfang des Jahrhunderts länger als heute, es ist also durchaus möglich, dass Clara als „Backfisch“ die wahrscheinlich ganz neue Puppe zu Beginn des 1.Weltkrieges erhielt.

Vermutlich bestand die Puppe damals aus Celluloid-Kopf (Modell von 1899), Ziegenlederbalg, hölzernen Kugelgelenkarmen und -beinen und Füßen und Händen aus Masse. Sie trug einen großen Hut auf der Lockenperücke und war prächtig bekleidet, besaß vielleicht gar einen Trousseau.

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