Die besondere Puppe

Hier können auch Sie Ihren Schatz vorstellen

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Ein Kind der Liebe von Stefanie Ludwig

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Ein Arbeitszimmer im Museum für Sächsische Volkskunst in Dresden. Der kleine Raum ist vollgestopft mit Büchern und Schriften, einen Ruhepol bildet der große Schreibtisch. 

Hinter all dem Weiß und Creme der Papierstapel lugt ein kleinerer Gegenstand in Grün und Braun hervor. Ich nehme ihn behutsam zur Hand und drehe mich fragend zu Depot- verwalterin Gabriele Löffler um. 

„Das ist ein Spanbaum
Foto: Gabriele Löffler
aus dem Erzgebirge
, aus Holz gedrechselt, die gebogenen Späne aufgeklebt.“

Der 27cm große Neuzugang, der auf Inventarisierung wartet, ist ein kleiner Beleg für die ungebrochene Liebe und Anhäng- lichkeit der Dresdner zu diesem Museum - ungebrochen, seitdem es 1913 in den Räumen des ehemaligen kurfürst- lichen Jägerhofs auf der Neustädter Elbseite gegenüber dem Finanzministerium eingerichtet wurde. 

Sogar der sächsische König Friedrich August IIl. hatte sich die Ehre gegeben und an der Eröffnung teilgenommen. 

Kriege, Notzeiten, Zerstörung, Umbau und Renovierung haben diese Zuneigung nicht ermüden lassen.

Bild rechts: Postkarte Sammlung Else Weber

  

Foto oben: Gabriele Löffler Museumsmitarbeiterin

Sie zeigt sich in den Besuchen von Klein und Groß, aber auch in Stiftungen und Schenkungen. Erstaunlicherweise werden nicht nur Kostbarkeiten, Merkwürdigkeiten oder bestens erhaltene Alltagsgegenstände übereignet, sondern auch solche, die Spuren von Gebrauch und Beschädigung aufweisen. Von einem solchen Gegenstand will ich Ihnen erzählen.

Im Mai 2006 bot sich mir die Gelegenheit, im Textilarchiv zu recherchieren, bevor es ausgeräumt, umgebaut und den Schauräumen zugeschlagen wurde. 

Seiner Bezeichnung zum Trotz enthielt es viele alte Puppen - und sie waren mein Ziel! Jeder Puppenfreund wird sich das Entzücken vorstellen können, das mich beim Öffnen von Schranktüren und Aufziehen großer flacher Schubladen erfasste. Zwischen weichem Papier lugte da eine Hand hervor, dort ein bunter Puppenrock, da große Glasaugen, dort eine eingedrückte Nase. 

Viele Stunden verbrachte ich damit, behutsam eine Puppe nach der anderen auf den Arbeitstisch zu legen, zu unter- suchen, zu fotografieren. 

So viele Schönheiten auch darunter waren, mein Liebling blieb die, die ich „Kind der Liebe“ taufte, weil sie von Zuneigung und Liebe in schlechten Zeiten zeugt.

B 3018

Die Nichte der verstorbenen Vorbesitzerin schenkte im Dezember 1994 diese Puppe mit der Inventarnummer B 3018 dem Museum. Es sind nicht nur die kleineren Schäden wie die eingedrückte Nase oder fehlende Fingerglieder, die den Eindruck des Hässlichen hervorrufen, sondern vor allem die falschen Proportionen: die Beine in den dunkelbraunen, groben Strümpfen und den übergroßen Schuhen sind viel zu lang und auch der Kopf ist zu klein im Verhältnis zum Rest des Körpers. Warum sollte sie wichtig sein und im Museum aufbewahrt, ja sogar ausgestellt werden? Schieben wir diesen ersten Eindruck beiseite und schauen wir uns die Puppe nach und nach genau an! Mitsamt den über- langen Beinen ist sie 55cm groß und braucht für aufrechte Haltung einen Puppen- ständer.

       

Der Brustblattkopf aus Celluloid lässt eindeutig seine Herkunft erkennen: Schildkröt

Die Marke zeigt die nach links laufende Schildkröte darunter erhaben in Druckbuchstaben geprägt „SCHUTZMARKE“, darunter die Ziffer „14“. Daraus ist zu entnehmen, dass das Modell 1899 entstand und seitdem benutzt wurde. Vor allem in dem Zeitraum bis zum 1.Weltkrieg, ja, bis in die 20er Jahre wurde dieses Erfolgsmodell in verschiedenen Größen produziert. Laut Cieslik verwendete Schildkröt diese Brust- blattköpfe nie selbst für komplette Puppen, sondern lieferte sie ausschließlich an die Thüringer Puppenindustrie. Da es davon eine Unzahl gab, ist es sinnlos, darüber zu spekulieren, an welche Firma dieser Kopf vor uns ursprünglich geliefert wurde.

               

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