Von der Kunst des Loslassens

Ein Bericht mit Fotos von Stefanie Ludwig

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Welche Art von Sammler?

Es gibt „Eichhörnchen“-Sammler, deren ganzes Glück darin besteht, „Nüsse“ zusammenzutragen und zu horten. Vergraben müssen sie nicht gerade werden, aber kaum ein anderer bekommt sie zu Gesicht, nur einer allein erfreut sich still und heimlich daran. 

Von dieser Sammler-Art ist Frau Rosemann ganz und gar nicht. Offensichtlich bedeutet es ihr Glück und Erfüllung, ihre Schätze unter wechselnden Gesichtspunkten einem Publikum zu präsentieren und so auf historische oder kulturgeschichtliche Zusammenhänge aufmerksam zu machen. Das Publikum kann jung oder alt sein kann, „vom Fach“ oder Laie. 

Betrachtet man die lange Liste ihrer Veröffentlichungen, so sind es überwiegend bebilderte Schriften zu all ihren Ausstellungen, anfangs in fremden Museen, später in ihrem eigenen Hause, dem Hessischen Puppenmuseum in Hanau-Wilhelmsbad. Um das leisten zu können, knüpfte sie Kontakte zu Museums- und speziell zu Spielzeugfachleuten im In- und Ausland und erarbeitete sich auch Kenntnisse u.a. in Volkskunde. 

Zeugnis davon legt noch heute ihre umfangreiche Bibliothek ab.

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Gertrud Rosemann beließ es nicht bei einer Zusammen- stellung von „schönen“ oder „bunten“ oder „merkwürdigen“ Puppen. Sie wollte keine Sehnsüchte nach der angeblich guten alten Zeit wecken, nein, ihr pädagogischer Eros brach sich Bahn (kein Wunder, schließlich hatte sie schon im 2.Weltkrieg als Lehrerin gearbeitet und später noch viele Jahre lang).

Um nur ein Beispiel anzuführen: Einen bleibenden und ganz gewiss so von ihr beabsichtigten Eindruck erweckte in mir das Nebeneinander von Barbie zu Pferd und einer alten Damenpuppe im Reitkostüm, mit Zylinder und Schleier, ebenfalls zu Pferd - natürlich im Damensattel! „Museum“, so ihr Wahlspruch, „ist Bildung als Vergnügen“.

Ihr persönlicher Einsatz in den Jahren des Sammelns war enorm, sowohl finanziell, als auch, was die eigene unent- geltliche Arbeit betraf. Unvergesslich ist mir, wie sie mir im September 1976 eine Neuerwerbung vorstellte, eine große englische Queen Anne-Puppe von ca. 1718, genannt „Meine Alte“, die auf dem Schreibtisch stand. „Das ist mein Auto.“ 

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Begeisterungsfähigkeit

Zum Glück kann Begeisterungsfähigkeit ansteckend sein. Davon brauchte Frau Rosemann aber auch eine gehörige Portion, als sie damit begann, das Land Hessen für die Einrichtung eines Puppenmuseums zu interessieren. Damals hatte ihre eigene Spielzeugsammlung an Umfang und Wert zugenommen und war in mehr als 30 Ausstellungen bis Oldenburg zu sehen, mit wechselnden Themen auch im Dreieichmuseum bei Frankfurt. 

Nach jahrelangen Bemühungen konnte die Rosemannsche Sammlung in öffentlichen Besitz übergeben werden. Im Arkadenbau des Hessischen Staatsparks Wilhelmsbad fand sich ein geeignetes Domizil, Vitrinen wurden angeschafft, die Stadt Hanau erklärte sich bereit, für Licht, Heizung und Sauberkeit zu sorgen. Doch für Aufsichtspersonal waren keine Mittel mehr aufzutreiben.

Was tun? Per Zeitungsinserat suchte die zukünftige Museumschefin nach ehrenamtlichen Helfern und war entgegen aller Unkereien erfolgreich: Spontan meldeten sich an die dreißig Frauen. Das Prinzip des Ehrenamtes blieb von Anfang an erhalten und trägt diese Institution bis heute. Eine erste und einzige „feste“ Stelle, die für einen Museumsleiter, wurde erst 1997 bewilligt.

Zu den Fotos:
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Frau Rosemann vor ihrer Bücherwand
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Frau Rosemann und ihre kostbare Neuerwerbung, „Meine Alte“, eine englische Holzpuppe von ca. 1718

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