Wovon ich noch erzählen wollte ...

15.12.2019 - Es muss nicht immer Kuhn sein 
oder
Luthardt, Bauernmöbel aus Thüringen - Teil 2

Ich rekapituliere einmal. Ich hatte ein zauberhaftes kleines Stübchen (25x18 cm 16 cm hoch), ich kannte seine Heimat. Eigentlich hätte ich doch zufrieden sein können. Ja, hätte, war ich aber nicht.

Immer wieder schaute ich mir die Bilder im Lexikon der Puppenstuben und Puppenhäuser von Marianne Cieslik und Swantje Köhler aus dem Köhler Verlag an. Ich prägte mir die Bauart, die Fronten, die Farben der Möbel ein. Ich wollte sie erkennen, wenn ich sie sah. 

Eines Tages entdeckte ich einen Eintrag im Thüringer Wirtschaftsarchiv e.V. Theodor Luthardt, Steinbach. Mmh... Steinbach - Steinach. Was mag wohl richtig sein. Konnte es zwei Holzteilehersteller Theodor Luthardt geben? Ich schaute auf der Landkarte nach. Es gab ein Steinbach, aber ein „Stückchen weiter längs“. Auf einem Werbeschild konnte ich dann zum Glück die richtige Anschrift lesen. Steinach war es. Also in unmittelbarer Nähe zu Sonneberg.

   

Dort erfuhr ich, dass die Firma 1894 von Theodor Luthardt gegründet wurde - als Tambourin- und Trommelhersteller. Außerdem fertigte und verlegte die Firma Parkettböden in Prachtbauten. 1909 wurde die Produktion erweitert. Es kamen Schneeschuhe und Spielwaren hinzu. Ich denke, die Schneeschuhe waren die Vorläufer unserer Ski. Auf der Wintersportausstellung 1911 erhielt die Firma für die Schneeschuhe - sie wurden unter dem Namen Fritjof vertrieben - die Bronzemedaille. Die Namensgebung soll im direkten Zusammenhang zu dem norwegischen Polarforscher und Friedensnobelpreisträger Fridtjof Nansen stehen. Wenn man die Verdienste Nansens um die Technik und Weiterentwicklung der Wintersportausrüstung bedenkt, kann man es schon glauben. Beweise dafür habe ich nicht gefunden.

Aber eben dieses Fritjof-Zeichen ist auf der Rückseite meines Schrankes aufgeklebt.

Die Bayerische Staatsbibliothek führt einen Auszug aus dem Regierungs-Blatt für das Herzogtum Coburg von 1875. Dieser Johann Carl Luthardt hatte 5 Söhne. Theodor - der mit dem Parkett, den Trommeln und den Puppenstuben war der jüngste Bruder. Dieser lies sich also samt Schneeschuhen, Parkett und Puppenstubenmöbeln wieder in Steinach nieder.


Postkarte: Privatbesitz: Ich bedanke mich bei Herrn Karl Heinz Luthardt für die Leihgabe

Die Postkarte oben zeigt die Fabrik und im Hintergrund das Wohnhaus der Familie Luthardt in den 20er Jahren

Nach dem 1. Weltkrieg waren bereits drei Generationen Luthardts in der Firma tätig. Theodor, sein Sohn Oscar und dessen Sohn Walther. 1923 - nach dem Tod von Theodor Luthardt, wurde die Firma in eine Kommanditgesellschaft und 1936 in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt.


Postkarte: Privatbesitz: Ich bedanke mich bei Herrn Emil Lichter für die Leihgabe

In den 30er Jahren wurde Steinach als die „Werkstatt des Weihnachtsmannes“ bezeichnet. 1933 stellten 21 Steinacher Firmen ihre Produkte in der Kreisstadt Sonneberg in einer Spielwarenausstellung aus. Davon waren 15 Steinacher Holzspielwaren- hersteller. Dazu zählte auch die Firma Theodor Luthardt mit ihrem Parkett, Schneeschuhen und den kleinen Bauernstuben.


Anzeige: Privatbesitz: Ich bedanke mich bei Frau Anni Lichter für die Leihgabe

Der Thüringer Waldbote schreibt dazu am 9. Mai 1933 wie folgt:

Auf der Sonneberger Ausstellung treten wir nun ins Steinacher Kinderparadies ein. Es begrüßen uns die „Luta- Puppen“ der Fa. Eg. M. Luthardt. Typen verschiedener Menschenrassen lachen uns an..... 
..... Die Erzeugnisse der Fa. Theodor Luthardt; alle Arten von Schneeschuhen, Schlitten und Skistöcke präsentierten sich in sinnvoller Anordnung. Eine Fläche mit meisterhaft verlegten Parkett war zu sehen.


Und hier muss man nun wieder rätseln. M. Luthardt muss einfach ein Tippfehler sein. Die Luta-Puppen sind - nachweisbar - von der Firma W. Luthardt-Idel.
Diese Luthardts gehören zwar zur Familie, kommen jedoch aus einer anderen Linie.

Mir liegt ein Schreiben an einen Spielwarenhändler vom 9.11.1937 vor. Dort wird das zerlegbare Puppenstübchen angeboten - als Diele und als Schlafstube. Einkaufspreis für den Vedes-Händler RM 2,50 netto. Weil dieses Schreiben nun doch schon ziemlich verblast ist, habe ich es für Sie abgeschrieben:

Zwischen 1945 und 1949 wurde die Produktion überwiegend auf Bedarfsartikel (Wäscheklammern und Frühstücksbretter) umgestellt. Doch danach kamen wieder die Puppenmöbel, die Kindertrommeln und das Parkett ins Programm. 1958 wurde der Betrieb an die VEB Glasfaserwerk Steinach verpachtet(!). 

Ja so steht es tatsächlich in den Unterlagen des Thüringer Wirtschaftsarchiv. Kurze Zeit später wurde er dorthin verkauft und liquidiert - so das TWA. Für mich eine etwas wage Schilderung, die nur wenig mit der zur damaligen Zeit üblichen Vorgehens- weise in der DDR zu tun hat. Doch mehr konnte ich zu dieser Angelegenheit nicht in Erfahrung bringen.

Der letzte Betriebsleiter war Walter Luthardt - und jetzt wird es interessant. Er wird als Pilzforscher bezeichnet. Er hat ganz besondere Speisepilze gezüchtet. Bereits während des 2. Weltkrieges begann er mit seinen Forschungen. Für mich sind das böhmische Dörfer, daher zitiere ich hier den Steinacher Wochenspiegel vom 17.04.2015:

Walther Luthardt, geb. 1899 in Steinach (S. M.), war ab 1924 technischer Leiter der väterlichen Firma Theodor Luthardt KG, in der Holzspielzeug und später Parkett, Skier sowie andere Holzwaren hergestellt wurden.

Zur wissenschaftlichen Beratung und Begleitung seiner Versuche trat Walter Luthardt mit Wissenschaftlern verschie- dener Hochschulen und Fachrichtungen in Verbindung.

Im Mai 1948 besuchten Wissenschaftler und Vertreter der sowjetischen Besatzungsmacht die Pilzzuchtanlagen. Im Ergebnis dieser Besichtigungen und durch finanzielle Mittel des Thüringer Ministeriums für Handel und Versorgung wurde 1949 ein mykologisches Labor in der Nordschule in Steinach unter Leitung von Dr. Helmut Kuntze eingerichtet, das zum Institut für Spezielle Botanik der Friedrich-Schiller-Universität Jena gehörte. Sowohl W. Luthardt als auch Dr. Kuntze und Prof. Schwarz formulierten Schwerpunkte für die Forschungsarbeiten. Dieses Labor existierte nur bis 1951 in Steinach und zog dann nach Weimar um.

Anfangs standen für W. Luthardt Versuche zur Speisepilzzucht auf Holz im Vordergrund, später kamen der "biologische" Stubbenabbau und die Entwicklung des Myko-Holzes hinzu.

Ob diese „Pilzforschungen“ im Zusammenhang mit der damals absolut untypischen „Verpachtung und Verkauf“ der Firma steht, bleibt im Dunkeln. Fest steht jedoch, dass diese Forschungen großes Aufsehen erregt haben - auch bei den damaligen Besatzern. Ich habe mir sein Buch gekauft - leider fehlt mir jegliches Verständnis für dieses Thema. Aber erwähnen wollte ich es doch.

Mir liegt ein Schreiben an einen Spielwarenhändler vom 7.5.1953 vor. Der Hinweis auf den Ausnahmevertrag mit der DHZ ist sehr interessant. Die DHZ war die Deutsche Handelszentrale der DDR. Unter gewissen Voraussetzungen durften die Erzeuger also doch Spielzeug fertigen und verkaufen. 
Auch in diesem Schreiben werden Puppenstubenmöbel angeboten. Leider konnte ich die genannten Nummern nicht mit den Abbildungen zusammen führen. 
Bitte bedenken Sie, dass nicht nur in Westen die Währung DM war. Zwischen dem 24. Juli 1948 und dem 31. Juli 1964 hieß die DDR-Währung ebenfalls Deutsche Mark.
Weil auch dieses Schreiben ziemlich verblast ist, habe ich es wieder für Sie abgeschrieben:

In meinen Unterlagen sind auch die beiden schwarz-weiß Abbildungen von den beiden Spardosen mit Schloss und Schlitz. Nach dem heutigen Stand ist es kaum zu glauben, dass mit diesen kleinen Bildchen Käufer angelockt werden sollten. Schade, dass wir die Spardosen nicht in Farbe sehen können. Die rechte Dose hat auf alle Fälle viel Ähnlichkeit mit der Truhe in meinen Stuben.

Während ich mit meiner Recherche gut vorankam, schaute ich immer wieder in den Onlineportalen nach Luthardt Zimmern oder Einzelmöbeln - vergeblich. Bis zum 10.09.2019. Da machte mich meine Freundin Sherri auf ein Onlineangebot aufmerksam. Sie hatte es auf einer amerikanischen Verkaufsplattform entdeckt. 

In meinen Unterlagen von 1953 waren der Kleiderschrank und der Nachtschrank bzw. Waschtisch abgebildet. Dort sind die Preise geschwärzt. Im Lexikon der Puppenstuben und Puppenhäuser werden sie genannt. So gehe ich davon aus, dass die Firma Luthardt noch die alten Katalog und Preisblätter mit den RM-Preisen benutzte und diese einfach schwärzte. Es waren schon schwierige Zeiten damals. 
Ich kaufte diese Möbel - über den Preis von 14,40 Rentenmark das Dutzend (siehe Lexikon der Puppenstuben und Puppenhäuser) musste ich natürlich schmunzeln. Ich schätze die Möbel auf die 30er Jahre, aber genauer kann ich es nicht sagen. Dafür habe ich trotzdem immer noch nicht genug Informationen und zu wenig Möbel in der Hand gehalten.

Und dann Mitte September 2019 sah ich diese Auktion. Eine vollständige Luthardt Stube im Gehäuse. Ja!!, sogar das faltbare Schachtelgehäuse wurde mit angeboten. Niemals hatte ich damit gerechnet, einmal so eine Schachtel - etwas größer als eine Zigarrenkiste - in der Hand zu halten.

Jeder Sammler wird meine Freude verstehen. Eine faltbare Luthardt Puppenstube mit vollständigem Mobiliar und sie ist meine. 
Für mein Empfinden ist der Raum etwas groß für die Möbel. Schaut man jedoch in den Katalog, so kann man lesen, dass genau diese Stube auch als Schlafzimmer angeboten wurde, das hat natürlich einen größeren Platzbedarf.

Als Erstes stellte ich die Möbel für ein Fotoshooting genau so auf, wie die Katalog-Abbildung die Stube zeigte. Nahezu verblüffend finde ich, dass tatsächlich der kleine zweiarmige Kerzenleuchter noch vorhanden ist - wenn auch ohne Kerzen.

Gut, an dem „Gehäuse“ hatte ein wenig der Zahn der Zeit genagt. Wenn ich in den Spiegel schaue, muss ich das auch von mir sagen - und ich bin viel jünger als diese Stube. Das hatte also irgendwie seine Berechtigung.

Ich fand, sie war ganz gut in Schuss - nichts, was sich nicht reparieren lässt.

Die „Schachtel“ ist aus Holz. Das Vorderteil kann man herunterklappen. Als „Scharnier“ dient nur das lila Papier, mit dem das Gehäuse von außen beklebt ist.

Der Deckel - außen mit lila Papier beklebt - dient gleichzeitig als Rückwand. Von diesem Deckel sind leider die beiden schmalen Seitenteile abgebrochen. Sie sind aber noch vorhanden. Ich werde mit einem Streifen lila Papier - sozusagen als Pflaster - die Seitenteile wieder befestigen.

Um möglichst nahe an die Originalfarben heranzukommen, habe ich die Rückwand gescannt und virtuell einen Streifen davon geschnitten, diesen multipliziert und jeden farblich etwas verändert, die einzelnen Streifen nummeriert und die Seite ausgedruckt. So konnte ich einen Ton finden, der dem Original sehr nahekommt. In diesem Ton habe ich eine Seite ausgedruckt. Jetzt habe ich genug „Pflaster“ für die Reparatur.

Der Boden und die Seitenteile der Schachtel sind aus Holz. Wie bereits erwähnt, ist der Deckel der Schachtel gleichzeitig die Rückwand. In die Seitenteile ist jeweils eine Nut gefräst und in diese Rille wird das obere Seitenteil - aus Pappe - hineingesteckt.

Diese Seitenteile haben Fenster, die man sogar öffnen kann. Aber das tollste ist, diese Seitenteile werden mit Druckknöpfen!!!!! an die schmalen Seiten des/r Deckels/Rückwand geknöpft. Kaum zu glauben, es hält und sitzt absolut fest - selbst heute noch.

Der einzige Nachteil dieser Konstruktion ist, dass ich nichts an die Wände hängen kann - jedenfalls höchstens ein leichtes Bild, aber kein Regal.

Ich vergleiche die Möbel mit den Möbeln aus meiner ersten Luthardt-Stube. Schaut man sich den Schrank an, so ist die Bezeichnung: „Jedes einzelne Stück ist Qualitätsarbeit“ doch ein wenig hochgegriffen. Selbstverständlich werde ich es so schräg lassen, aber ob ich da einmal Teller hinein stellen kann - habe ich noch nicht ausprobiert.

Die Tische sind identisch. Wie ausgesprochen schön, ich liebe Beständigkeit. Doch bei den Stühlen springt sofort der unterschiedliche Stuhlsitz ins Auge. Auch die Bauform ist etwas anders. Nicht viel, aber mit kritischem Auge sieht man es.

Die Truhe und der kleine Hocker sind in der neuen Stube viel liebevoller ausgeschmückt. Ansonsten sind sie jedoch beide baugleich.

Während ich die Hocker betrachtete, hatte ich ein Déjà-vu Erlebnis. Diesen Hocker hatte ich schon einmal gesehen - nur in größer. Jawohl, stimmt. In meiner Straßburg-Stube steht er und hat die Funktion des Untertisches für eine kleine Puppenstube.

Natürlich nahm ich sofort für ein Foto beide Hocker aus ihren Stuben. Es gab keinen Zweifel, sie sind identisch - bis auf die Größe. Der aus der Straßburg-Stube ist augenscheinlich aus der Serie für die 18 cm Puppen. Wie schön, nun konnte ich wieder ein Möbelstück einen Hersteller zuordnen.

Das Paradestück einer jeden Bauernstube ist natürlich der Kachelofen. Bei diesem Ofen erlebte ich eine Überraschung. Alle Öfen in meinen anderen Stuben sind aus Holz. Mehr oder weniger liebevoll sind die einzelnen Kacheln herausgearbeitet oder auch schon mal nur aufgemalt. Nicht so dieser Ofen. Er ist aus Keramik. Um so mehr überrascht sein guter Zustand. Gut, er hat im oberen Bereich einen kleinen Chip, aber das ist auch alles. Seine über 80 Lebensjahre sieht man ihm nicht an.

Zu meiner großen Überraschung hat auch der Kerzenleuchter die über 80 Jahre gut überstanden. Ein wenig verbogen und etwas locker in der Befestigung - aber heil. Gerhard hat ihn ein wenig nachgebogen und ich habe ihm aus einem Schaschlikstäbchen Kerzen gebastelt - für die schöne Spitze habe ich einen Bleistiftanspitzer genommen.

Die zweite Überraschung war der Schrank bzw. seine Rückseite. Er trägt einen Aufkleber:
Handmalerei Fritjof. In den wenigen Unterlagen, die ich über die Firma gefunden habe, gab es immer nur einen Zusammenhang zwischen Fritjof und den Schneeschuhen. Doch dieser Aufkleber ist absolut Original, er wurde fabrikseitig auf den Schrank geklebt.

Ich musste schon sehr einfallsreich sein, um diese wirklich ganz besondere Stube noch in meine Sammlung zu integrieren. Aber es gelang. Ich war gerade dabei mehr Licht in meine Stuben zu bringen und so bekam auch diese eine schöne Beleuchtung.

Mein erster Gedanke war, dass ich diese Stube so belasse, wie sie im Katalog abgebildet ist. Doch da spielte Gerhard nicht mit, er wollte nicht in die leere Stube schauen. Also legte ich erst einmal einen Teppich hinein, ließ eine Schildkröte einziehen und stellte eine kleine „Spreewald-Bärbel“ dazu. Und, weil schon in der Bibel steht, dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein lebt, kam noch eine kleinere Schwester von Bärbel (ebenfalls Hertwig Katzhütte) dazu - und ich habe den beiden einen Klöppelständer mit Rolle gegeben. Na, und ein altes Spinnrad finde ich bestimmt auch noch in meinen Kisten. So sieht es jetzt schon nicht mehr wie eine Katalogabbildung aus. Der Rest muss noch wachsen.

Ideen habe ich - aber nein, ich werde kein Gurkenglas hinein stellen. 

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