Wovon ich noch erzählen wollte ...

13.06.2020 - Die Geschichte der Schildkröt Bärbel - 
die Freundin meiner Kindheit
am
13.06.2020 ist der internationaler Gedenktag 
der Puppe

Gibt es einen passenderen Anlass, als den internationalen Gedenktag der Puppe, um Ihnen liebe Leserin, lieber Leser, die Puppe vorzustellen, 

die mich nun schon beinahe mein ganzes Leben begleitet?

Für den Fall, dass Ihnen dieser - für uns Puppensammler ganz besonderer Tag - nicht geläufig ist, zeige ich Ihnen hier den Link zu einen Brief, den die amerikanische Puppenkünstlerin Mildred Seeley 1986 geschrieben hat.

Seit dem begehen jedes Jahr am 2. Samstag im Juni Puppensammler und -Liebhaber einen ganz besonderen Gedenktag.

Den internationalen Tag der Puppe.

Dieser Tag soll Anlass sein, einem anderen Menschen eine Puppe zu schenken. Vor allen Dingen aber daran erinnern, die Freundin der Kindheit nicht zu vergessen. 

Der Tag soll Puppensammler und Puppenmacher, Puppenjournalisten und Bibliotheken, Puppengeschäfte und Puppenmuseen zusammen bringen. Eine wirklich großartige Idee. Da das Interesse an Puppen und allem, was damit zusammen hängt, stark zurückgegangen ist, ein guter Anlass sich einmal wieder auf die Puppe als solches zu besinnen.

   


In wohl jeder Puppensammlung finden sich rund um die Puppe Gegenstände aus vielen Bereichen des täglichen Lebens, die irgendwie mit der Puppe zu tun haben. Erst sie setzen die Sammlung ins rechte Licht. Ich greife dabei gern auf die große von meiner Patentante geerbte Postkartensammlung und auf Briefmarken als Dekoration zurück.


Foto: Sherri Farley

Kein Wunder also, dass ich gleich begeistert war, als ich auf dem dänischen Puppenblog Dukke - & Legetøjsdrømme eine Abbildung dieser schönen Briefmarken sah. Sie stammen aus Kanada und ich konnte nicht widerstehen. Meine Freundin Sherri aus Missouri hat tatsächlich diese Marken für uns auf der großen amerikanischen Auktionsplattform entdeckt und sofort zwei Sätze gekauft. Wir wollen die Briefmarken als Bilder in unsere Puppenstuben hängen. Ihr Mann hat versprochen, dass er Bilderrahmen dafür baut. Wenn ich meine habe, werde ich Ihnen hier ein Foto zeigen.


Foto: Gertrud Ihde

Die Freundin meiner Kindheit heißt Bärbel.

Von ihr möchte ich Ihnen heute erzählen. Wer genau hinschaut, der sieht Bärbel oben auf meinem Schoß - während ich auf dem Schoß meiner Oma sitze.


Foto: Gertrud Ihde

Bärbel, Kriegskind, Schildkröt, 34 cm, feststehender Kopf, gemalte blaue Augen, ausgeformte brünette Schneckenfrisur.

An den Tag, an dem Bärbel in mein Leben trat, kann ich mich nicht mehr erinnern. Doch das ist nicht weiter verwunderlich. Es war mein erster Geburtstag.

Mein Opa hatte für mich den Puppenwagen gebaut. Die passenden Kissen wurden von meiner Oma aus rot/weiß gewürfeltem Stoff genäht. Aus den Resten erhielt Bärbel ein Trägerkleid. Kurzer Rock, das Oberteil leicht gesmokt. Dieses Kleid hatte sie sehr lange. Die Ausstattung, die sie jetzt trägt, wurde Anfang der 60-iger Jahre, ebenfalls von meiner Oma genäht.


Postkartensammlung: Else Weber

Bärbel hatte es nicht leicht mit mir. Ich war sehr reinlich mit ihr. Immerzu habe ich ihr den Kopf gewaschen und ich fürchte, ich habe sie richtig geschrubbt. So ist es auch nicht weiter überraschend, dass das früheste Erlebnis mit Bärbel, an das ich mich wirklich erinnern kann, ein Besuch beim Puppendoktor ist.

Ich war 3 oder 4 Jahre, Bärbels Gesicht und die Haare waren abgewaschen und farblos. Ich ging mit meiner Mutter zum Puppendoktor und hielt Bärbel fest an meine Brust gedrückt. Ich denke heute, dass ich bestimmt große Angst um mein Puppenkind hatte. Da beugte sich der „Doktor“ über die Verkaufstheke zu mir herunter, sah meine Puppe an und sagte (ich weiß es noch wie gestern): „Was hat denn Deine Bärbel?“

Dass dieser fremde Mann so klug war, und wusste wie meine Puppe heißt, hat mich damals unendlich beruhigt. Er wurde zum „Leibarzt“ von Bärbel. Sie hat ihn leider oft konsultieren müssen. Immer wieder die Farbe. Ihr letzter Aufenthalt bei ihm war 1962. Einige Jahre später kam sie mit dem Dieter (einem Christelbub) meiner Schwester und unseren Babys in eine große Schachtel. 

Nach ca. 25 Jahren packte ich die Puppen wieder aus und .....


Postkartensammlung: Else Weber

.... habe sie gewaschen.

Natürlich habe ich ein besonderes Verhältnis zu meiner Kinder-Bärbel. Und, ganz ehrlich, ich kann kaum an einer Bärbel vorbei gehen, ohne den unwiderstehlichen Wunsch sie mein Eigen zu nennen.

In meiner Puppenausstellung im Winter 2016/2017 in Itzehoe hatten meine Bärbel-Puppen eine eigene Vitrine, in der sie von der Museumsdekorateurin Frau Andresen wirklich wundervoll in Szene gesetzt wurden.

In meiner Wohnzimmervitrine haben sie nicht ganz so viel Platz. Es kam auch die eine oder andere Puppe noch hinzu. Trotzdem, auch in den eigenen vier Wänden ist es meine Lieblingsvitrine und als Mittelpunkt steht natürlich meine erste Bärbelpuppe.

01 - 34 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte grüne Augen 

02 - 48 cm Kurbelkopf
5-fach gegliedert
braune Glasaugen

03 - 56 cm Kurbelkopf
5-fach gegliedert
blaue Glasaugen

04 - 18,5 - 19 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte blaue Augen

 

05 - 34 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte braune Augen

06 - 25 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte blaue Augen 

07 - 34 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte blaue Augen

08 - 29 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
blaue Glasaugen
09 - 16,5 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
blaue gemalte Augen
Hertwig Katzhütte

10 - 29 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
blaue gemalte Augen

11 - 18,5 - 19 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte blaue Augen

12 - 25 cm fester Kopf
4-fach gegliedert
gemalte blaue Augen

 

Ich habe sehr früh angefangen zu lesen. Bücher bestimmten schon als kleines Mädchen mein Leben. Meinen ersten „Krimi“ erhielt ich mit vier Jahren - es ging um einen Entführungsfall. Nun ja. Ich fand ihn damals schrecklich aufregend, habe die kleine Mutter bedauert und ich fand, dass die Entführerin eine schreckliche Verbrecherin war. Nun ja, Sie vermuten vielleicht richtig. Es handelte sich um die Wunderbare Puppen Reise von Sophie Reinheimer. Das Schönste an diesem Buch war aber, dass das Puppemädchen Mimi gerade so schöne Schnecken hatte, wie meine Bärbel. Noch heute liegt in dem Buch die Geburtstagskarte meiner Patentante, die dem Buch beigefügt war.

 

Übrigens, nach Fritzchen, dem Bruder der oben genannten Mimi, habe ich mein Schildkröt Strampelchen genannt.

Im Händler-Katalog von 1938 - ich habe diesen Katalog samt Händlerpreisliste - erscheint Bärbel zum ersten Mal und dies gleich in sechs Größen (18,5 - 25,5 - 29,5 - 34 - 45 - 49) und verschiedenen Ausführungen in fleischfarbig oder Sonnenbraun, mit gemalten Augen oder Glasaugen und in der Größe 49 cm sogar mit lebende Augen mit Wimpern. Die kleinen Größen sind 4-fach gegliedert. Sie haben also einen festen Kopf. Die großen Puppen haben einen beweglichen Kopf und sie werden in einem Hemdhöschen geliefert.

Die ersten bekleideten Puppen sieht man 1940 im Katalog. Überwiegend tragen die Puppen schlichte Baumwollkleidchen. Ganz besonders reizend finde ich das Kleid mit den Schildkröten - dabei dachte ich immer, dass diese Schildkrötenstoffe eine Kreation der Neuzeit (rechts) sind. Aber mitnichten, diese Idee hatten schon früher die Macher in Mannheim.

Schildkröt brachte jedes Jahr eine kleine Werbebroschüre - Hauptdarsteller waren immer die Celluloidpuppen der Schildkröt- Familie. Das Heftchen von 1941 hatte den bezeichnenden Namen „Spiele für das ganze Jahr“. Ich zeige Ihnen diese Seite, weil hier Bärbelchen und die anderen Mitglieder der Schildkröt-Familie so nett dargestellt sind und natürlich, weil diese Seite eben für den Juni ist. Dem Monat, in dem wir den Puppen-Gedenktag begehen.

Meine Freundin Nicole hat mir einmal erzählt, dass sie die alten deutschen Schriften nicht lesen kann. Ich weiß, dass sie damit nicht allein ist. Daher habe ich für alle Nicoles den Text „übersetzt“. Ich habe versucht etwas über dieses Spiel heraus zu finden. Doch leider - nichts. Vielleicht war es nur als Reim für dieses Büchlein kreiert.

Der Katalog von 1951 hat auf einmal einen ganz neuen Aufbau. Wurde in den früheren Katalogen stets immer eine Puppe in den angebotenen Größen gezeigt, wurde die Darstellung ab 1951 nach Größen - gemischt mit allen Schildkrötkindern - vorgenommen.

Und noch etwas fällt ab diesem Jahrgang auf. Hans, bis dahin treuer Begleiter von Inge, wird ab jetzt als Begleiter von Bärbel abgebildet. An den Spekulationen, warum man sich zu diesem Schritt entschlossen hat, möchte ich mich nicht beteiligen.

Mit wenigen Neuerungen bzw. Veränderungen blieb es dabei. Bärbel aus Celluloid in den oben genannten sechs Größen. Bärbel war “die“ Puppe der Nachkriegsjahre. Viele andere Hersteller schwammen auf der „Schneckenwelle“ mit. So gibt es auch in meiner Sammlung einige fremde „Bärbel-Puppen“. Schildkröt blieb diesem beliebten Model treu. Einzig wirkliche Neuheit gab es 1952. Da bekam die 45er und die 49er einen anderen Hals. Der Kurbelkopf wurde abgeschnitten und bekam einen Halsring zur Befestigung an einem weicheren Körper. Damit konnten auch Schlafaugen eingesetzt werden.

Der Renner wird es jedoch nicht gewesen sein. Ich habe keine dieser Puppen in meiner Sammlung, daher kann ich sie Ihnen leider nicht zeigen. 

Ab 1953 ist Bärbel nicht mehr im Programm

Als einziges der Schildkrötkinder wurde Bärbel niemals in Tortulon aufgelegt.

Mir liegt der Katalog von 1958 vor. Dort wurde ein Kuriosum abgebildet. Ob es wohl Überlegungen gab, dass die Bärbel doch eines Tages in Tortulon erscheinen sollte. Ich weiß es nicht und es gibt auch heute wohl kaum jemanden, den man dazu befragen könnte. Ich versichere Ihnen, dass es sich bei der Abbildung oben um einen Originalscan aus dem 1958er Schildkrötkatalog handelt.

Im Katalog von 1961 gibt es keinen Hinweis mehr auf Bärbel, bzw. noch keinen Hinweis auf Bärbel. Denn ... Im Katalog von 1962 wird eine Sprechpuppe mit dem Namen Bärbel vorgestellt. Sie ist stattliche 58 cm groß und kann sprechen - Dank eines Sprechwerkes in ihrem Bauch und unter Mithilfe von kleinen Schallplatten. Der Körper dieser Puppe ist aus festem Material und der Kopf aus weichem, vielleicht Gummi oder Vinyl. Die Nylonhaare wurden eingenäht.

Waren bis dahin die Schildkröt-Kataloge immer in ca. DIN A4, so wird ab Mitte der 60er Jahre ein kleineres Format - DIN A5 quer - genommen. Bärbel lächelt immer noch in 58 cm von den Seiten, doch sie trägt jetzt die Haare kürzer - nicht mehr die braven Zöpfe.

Die Hauptattraktion - in vielen Größen - ist jetzt Bienchen.

Diese Puppe ist - vor allen Dingen in den kleineren Größen - wirklich bezaubernd. Auch ich konnte ihrem Charme nicht widerstehen. Ich habe mir extra zu meiner Ausstellung in Itzehoe ein Bienchen gekauft. Obwohl sie weder von der Zeit, noch vom Material zu meiner Sammlung passte.

Ach ja, hier noch der Hinweis, Schildkröt hat mit dem Werkstoff häufig experimentiert. Nicht alles, was hart und fest ist, ist Tortulon. Es gab auch ein Material, was Schildkröt Tortulflex nannte und die Schildkröt-Puppen Modell Käthe Kruse waren aus einem Material, was Schildkröt Demiflex nannte. Später kam dann auch noch Celidor hinzu.

1973 - rechts - wird die Sprech-Bärbel immer noch angeboten, aber mit glatten langen Haaren. Im linken Katalog, der leider kein Erscheinungsjahr trägt, aber aufgrund der Farbgebung und Aufmachung sicherlich ebenfalls aus den 70er Jahren stammt - wird der Preis für Bärbel mit DM 69,90 und rechts im 1973er Katalog mit DM 77,50 angegeben, also DM 7,60 teuer, was mich zu dem Schluss veranlasst, dass der linke Katalog früher ist.

Im Laufe der Jahre gab es leider immer wieder Kataloge ohne Jahreszahl - was ich als äußerst seltsam bezeichnen möchte. Es erschwert uns Sammlern heute die Recherche erheblich. Doch an Sammler hatte man damals wohl noch nicht gedacht.

Dann Anfang der 80er Jahre- Schildkröt Mannheim war bekanntermaßen ziemlich angeschlagen - sehen wir die Bärbel als klassisches Modell. Damit beginnt eine neue Ära bei Schildkröt, noch vor dem Verkauf und Umzug der Firma nach Kaufbeuren. Bärbel wird Hans zur Seite gestellt. Sie tragen „Partner-Look“. Als drittes Modell gibt es Erika, aber mit anderer Ausstattung. Erst später in Kaufbeuren kommen Inge und die anderen Geschwister dazu.

Der Katalog von 1980 liegt mir leider nicht vor, doch ich habe den Händler-Katalog von 1981. Als Material wird „Celidor“ angegeben. Dort sind sie abgebildet. Eigenartigerweise in der Ankündigung als:

Original Schildkröt-Baby-Puppen - Warum auch immer.

Die Prägung auf Hals und Nacken besagt, dass meine Puppe die Größe 46 cm hat, aus dem Fertigungsjahr 1980 stammt und die laufende Nummer 585 trägt.

In Kaufbeuren, wohin die Fabrikanten-Familie Biemann mit den Schildkröt-Puppen von Mannheim hingezogen ist, waren die Räumlichkeiten schnell zu klein. 1993, kurz nach der Wende, kam der Umzug nach Thüringen - direkt ins Herz des deutschen Puppenlandes - nach Rauenstein.

Dort entwickelte sich eine Kooperation mit der Porzellanmanufaktur aus der Region, Gräfenthal in Gräfenthal. Es entstanden drei Puppenfiguren aus ganz Porzellan. Strampelchen auf einem Kissen liegend, Hans und .... Bärbel, auf einem Sockel stehend. Alle drei ca 15 - 18 cm groß. Ich sagte ja schon einleitend, ich kann nur schwer an einer Bärbel vorbei gehen. Also schmücken auch sie meine Vitrine.

Ach ja schmücken ..... Das Programm der Schildkröt-Familie aus der Klassik Kollektion ist sehr vielfältig. Eine wirklich schöne, besondere Variante sind die Weihnachtsengel-Puppen. In vielen Größen und vielen Puppentypen. 

Mein Engel ist selbstverständlich eine Bärbel und seid dem ich sie (2004) bekommen habe, kommt sie jedes Jahr zu Weihnachten aus ihrer Schachtel und schmückt unser Weihnachtszimmer.

Ich habe Ihnen einmal eine kleine Auswahl an Bärbel Puppen zusammen gestellt. Wie Sie sehen können, ist es nämlich nicht bei der Schildkröt-Bärbel in alt und neu geblieben. Puppen von Cellba, Käthe Kruse, Hertwig, Emaso und natürlich Engel runden meine Sammlung ab.

Ich denke, es sind die Schnecken über den Ohren, die mich immer wieder zur Bärbel greifen lassen. Mein Mann, eigentlich immer großzügig und tolerant meinen Sammlungen gegenüber, meint, ich hätte nun oft genug gegriffen. Aber wie sagte einst der große Fußballer:

Schaun wir mal.

Text: Sigi Ulbrich - www.tortula.de
Fotos: GMUwebSign
Postkartensammlung: Else Weber

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